23 Dezember 2006

Zur Rechtmäßigkeit der Iran-Sanktionen

Betreff: Resolution 1737 vom 23.12.2006

Der Weltsicherheitsrat beschloss einstimmig Sanktionen gegen den Iran.

Insbesondere handle es sich um ein Technologie-Embargo, das sich gezielt gegen das dem Iran vorgeworfene Streben nach Atomwaffen und Trägermitteln richte.

Der Iran protestierte gegen die Entscheidung umgehend. Die Sanktionen würden jeglicher Rechtsgrundlage entbehren, verstoße gegen die UN-Charta, gehe über die Zuständigkeit des Weltsicherheitsrats hinaus, hindere den Iran gleichwohl nicht an der Fortsetzung seines nach Maßgabe des Atomwaffensperrvertrags "friedlichen" Atomprogramms.

Als der iranische Vertreter als Gast des Weltsicherheitsrates den Protest vorbrachte, schienen die Gesichter der Ratsmitglieder lang und ratlos - oder selbstzufrieden am Protest vorbei. Aber es gibt gute Argumente gegen den iranischen Protest:

1. Die Rechtsgrundlagen könnten besser sein, aber gegen einen Staat, der gegen einen anderen Staat Krieg führt, reichen die Rechtsgrundlagen allemal zur Verhängung von Sanktionen aus.
Der Iran ist solch ein Staat, fordert die "Auslöschung Israels" und rühmt sich solcher Feindschaft durch Unterstützung der gegen Israel Krieg führenden Kräfte.
Bereits darin ist der Tatbestand des Art.39 VN-Charta in den Alternativen Bedrohung und Friedensbruch erfüllt.
Die Rüstungsanstrengungen des Iran, insbesondere die Entwicklung weitreichender Raketen und das Uran-Anreicherungsprogramm, lassen den Verdacht entstehen, dass es dem Iran um die Erlangung militärischer Fähigkeiten über den Terrorismus hinaus geht.
Die wiederholte und hartnäckige Holocaust-Leugnung trägt ihr Übriges dazu bei, dass der iranischen Führung ein Realitätsverlust vorzuwerfen ist, der sich in kriegerischen Handlungen fortsetzen könnte.

Dass der Iran das Streben nach Atomwaffen bestreitet, soll hohe Aufmerksamkeit haben, aber "in dubio pro reo" schließt nicht die Beschränkung der internationalen Kooperation.

Die Erforderlichkeit der Sanktionen ist zu bejahen, denn der Iran verwirkte durch eigenes Verhalten das Recht auf Teilhabe am atomaren Wissen.
Der Iran verkennt den Zusammenhang zwischen diesem Recht und dem Vertrauen, auf dem die atomare Teilhabe beruht.

Die Verhältnismäßigkeit der Sanktionen ist ebenfalls zu bejahen, soweit sie der Öffentlichkeit dargelegt ausschließlich Atomwaffenbefähigung und Trägermittel betreffend, andererseits zeugen die Erfahrung im früheren Ost-Westhandel von den Schwierigkeiten in der Praxis, aber dann ist es an Teheran, die Voraussetzungen für die Entbehrlichkeit der Sanktionen zu schaffen.

Die Geeignetheit der Sanktionen ist ebenfalls gegeben, wenngleich möglicherweise nur als Zeitgewinn, denn der Iran erklärte bereits mehrfach trotzig, an seinem Atomprogramm auch gegen die Beschlüsse des Weltsicherheitsrates nicht nur festzuhalten, sondern sie zu intensivieren und notfalls im Geheimen weitertreiben zu wollen.
Das zerrüttet die ohnehin zerrütteten Vertrauensbeziehungen noch mehr, aber die iranischen Machthaber verkennen, dass in der Politik im Unterschied zur Mathematik "falsch" Steigerungsformen hat, die es zu vermeiden gilt.

Die Sanktionen schaffen Zeitgewinn, aber dieser Zeitgewinn darf nicht vertan werden. Es genügt nicht, Die Überwachung der Sanktionen würde nicht genügen. Es braucht Aufbau einer Diplomatie, die den Nahostfrieden bringt und den Atomwaffenstaaten ein Regime der Gleichbehandlung aufdrängt, also auf Privilegien zu verzichten, denen sie mit Artikel 6 des Atomwaffensperrvertrages Abhilfe versprachen: die atomwaffenfreie Welt.

Der Iran-Konflikt, wie auch der Konflikt mit Nordkorea, sollte Veranlassung sein, um diese entscheidenden Schritte zu gehen. Niemand sollte sich des Anlasses scheuen, dass es ausgerechnet solche Regimes sind, die zum Umdenken bringen.

2. Die Zuständigkeit des Weltsicherheitsrates sehe auch ich als unterentwickelt an, fordere deshalb eine umfassende Reform der Vereinten Nationen einschließlich der Gewaltenteilung, Anrufbarkeit des Weltgerichtshofs, aber wenn das noch immer nicht ist, solange ist der Weltsicherheitsrat in seiner Zuständigkeit anzuerkennen.
Die Zuständigkeit des Weltsicherheitsrats ergibt sich ebenfalls aus Art.39 ff. VN-Charta.

Zur Ungleichbehandlung: Bliebe der iranische Einwand, dass der Weltsicherheitsrat Iran und Israel mit zweierlei Maß behandle und die Atomwaffenmächte anderen Staaten Rechte bestreiten, die sie für sich selbst in Anspruch nehmen.
Es ist unmoralisch, wenn Atomwaffenmächte anderen Staaten die Atomwaffenfähigkeit verbieten, aber die eigene Unrechtmäßigkeit macht andere Unrechtmäßigkeit nicht rechtmäßig.

Zur Rechtskraft: Der Iran, Nordkorea, aber auch Israel und andere sollten lernen, dass auch unwillkommene Entscheidungen der Weltorganisation für jeden Staat in Gemeinschaft mit der Welt besser sind als Trotz und Krieg, wie auch jede Privatperson in einem Rechtsstaat besser beraten ist, sich ungerechten Gerichtsurteilen zu fügen, als es auf die Länge des Messers ankommen zu lassen.


msr >> Diskussion
Art.39 ff. VN-Charta, Atomwaffenmächte